Aber... es war doch alles ganz anders...
Ich verfolge immer die TV-Sendungen, die über die DDR bzw. über die Wendezeit gemacht werden. Momentan häuft es sich ja wieder, da wir in diesem Jahr den 20. Jahrestag des Mauerfalls begehen werden.
Schon in den bisherigen Sendungen, in letzter Zeit aber immer mehr, fällt mir auf, dass es in der DDR nur 2 Seiten gegeben haben kann: die parteitreuen Stasileute und die anderen, die mit Ersteren ständig im Clinch lagen. Sowieso wurden ja alle Leute in der DDR von der Stasi verfolgt, sofern sie nicht dazugehörten. Und alle - ALLE!!! - waren absolut gegen diesen Staat und fühlten sich eingesperrt, ihrer Freiheit beraubt und warteten nur auf eine Möglichkeit, dieser fürchterlichen DDR zu entkommen.
SO WAR ES ABER NICHT!!!
Es war durchaus ein Leben in der DDR möglich... Meinen Eltern z.B. ging es immer gut. Dass sie nicht gleich eine Wohnung bekamen, lag nicht etwa daran, dass sie Hartz IV oder Ähnliches bezogen, sondern es gab schlichtweg keine passende. Welcher Grund zieht denn eigentlich mehr Unzufriedenheit nach sich?
Beide Elternteile hatten Arbeit, sie konnten mich und später meine Schwester selbstverständlich in die Kinderkrippe und dann in den Kindergarten bringen. Heute heißt das Kita... "Tagesstätte". (Warum wand man sich ab vom Wort "Kindergarten"? Erfunden von Fröbel mit vielen tollen Ideen, die heute wie das Fahrrad wieder neu erfunden werden?) Dort bekamen wir selbstverständlich warme Mahlzeiten und die Krippen und Kindergärten hatten von 6 Uhr an geöffnet.
In der Schule habe ich mich darüber gefreut, endlich dazuzugehören und zu Festlichkeiten auch mein blaues Halstuch umbinden zu können. Als ich dann das rote hatte, trug ich es aus praktischen Gründen auch mal in der Hosentasche, aber nicht aus Verachtung, sondern aus Mangel an sonstigen Taschen.
Pionier sein... das hieß für mich, Vorbilder wie Timur und seinen Trupp zu haben. Hilfsbereit und ehrlich zu sein.
Heute wird das immer in die Schublade des Mitläufertums gesteckt, vielleicht gehört es dort hinein - aber was ist schlimm an diesen meinen Vorbildern und Wünschen? Schwachen zu helfen, ohne an einen Verdienst zu denken einfach mal mit zuzugreifen?
Das politische Zeugs in der FDJ hat mich nicht mehr interessiert. Aber nach den Pionieren kam nunmal die FDJ. Und für mich war das die Möglichkeit, eine Funktion, eine Aufgabe in unserer Klasse zu übernehmen, ohne die ich wahrscheinlich als Persönlichkeit versauert wäre.
Die Unzufriedenheit im Land war da (1986) schon spürbar. Jeder meckerte über irgendwas. Aber ist das heute anders? Wer identifiziert sich denn heute 100%-ig mit Deutschland? Wer meckert nicht über viel zu hohe Managergehälter, über Diätenerhöhungen, über die nicht vorhandene Sicherheit der Renten, über Dauerinflation, über den Euro an sich, über die vielen Ausländer, über die Steuerpolitik, über Merkel, über wasweißichnochalles?
Jeder denkt doch durch die ganzen TV-Beiträge, dass die Leute in der DDR ihrer Sicherheit in den Arsch getreten haben, dass sie das billige Brot, die Subventionen für Kinderkleidung, die durchorganisierte Krankenversorgung usw. nicht mehr haben wollten! Dass sie ach-so-vorausschauend gewesen sind und erkannt haben, dass die DDR pleite geht...
Um den 17. Juni 1953 wird ein Wahnsinns-Geschiss gemacht, da waren 10.000 Leute in Berlin auf der Straße. Heute gehen Hunderttausende demonstrieren und keiner redet davon...
Was nicht wirklich im Zusammenhang dargestellt wird, ist die Tatsache, dass das Elend mit Polen anfing. Unsere sozialistischen Freunde hatten andere Vorstellungen vom Sozialismus als die DDR. Plötzlich war die Grenze dahin zu - für viele gingen beliebte Ausflugs- und Urlaubsziele verloren. Freundschaften konnten nicht mehr wie üblich gepflegt werden.
Übrig blieb die CSSR, von da aus fuhren viele nach Ungarn in den Urlaub. Klar hätte man auch nach Bulgarien und Rumänien gekonnt, aber das war mit dem Auto vielen zu weit. Unsere Familie hat immer in der DDR Urlaub gemacht. Ab und zu Tagesausflüge in die CSSR. Ich habe NICHTS vermisst, wirklich! Nichts! Ich fühlte mich nicht eingesperrt, ich wollte nicht woandershin.
Als die Ungarn plötzlich den sogenannten Eisernen Vorhang geöffnet haben und plötzlich ganz viele (aber eben nicht alle!) DDR-Bürger Urlaub in Ungarn machen wollten - rein zufällig - da machten die DDR-Obersten mal eben die Grenze zur CSSR zu. Das ging dann vielen doch zu weit. Und als dann noch ein angeblich neues Reisegesetz rauskam, das in den entscheidenden Paragrafen nach nichts als Gummi klang, da wurde die Wut groß und die Hilflosigkeit des Staates überdeutlich.
Und DA gingen die Leute auf die Straße. DAS brachte das Fass zum Überlaufen. Nichts anderes, das hier immer dargestellt wird, das sind Lügen...
Unsere Familie ging dann auch mit demonstrieren. Auf unserem Schild stand "Reisefreiheit - unser Recht" und bezog sich einzig und allein auf unsere nichtmehrmöglichen Tagesausflüge in die CSSR.
Ich ging auf viele Demos, in viele Foren (so wurden die öffentlichen Gesprächsrunden damals genannt), diskutierte viel mit. Wir hatten die große Hoffnung, etwas bewegen zu können, unsere DDR besser zu machen. Ich wollte nicht die Pionierhalstücher abschaffen. Und dass zu Feierlichkeiten mit einem Appell auf das Ereignis eingegangen wurde, finde ich nach wie vor passend, denn das erzeugte etwas Ehrfurcht. Mit dem 3. Reich oder Militarismus habe ich das nie verbunden, auch heute nicht. Ich finde, dass Respekt und ein gewisses Benehmen Grundpfeiler einer funktionierenden Gesellschaft sind und dass so ein Appell genau das erzeugen kann. Militarismus hin oder her. Im Rahmen eines Appells kann ein Baum gepflanzt werden. Dann war jeder bei der Pflanzung dabei und jeden Monat ist eine andere Klasse dran mit Gießen. Was ist daran militärisch?!
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass die UdSSR damals Summen in Milliardenhöhe bekommen hat, um der Wiedervereinigung zuzustimmen. Und dass die Bundesregierung den Franzosen damals schon versprochen hat, dass Deutschland beim Euro auf jeden Fall mitmachen wird - damit die auch zustimmen. Das ganze schöne Geld - das für die SU und das durch den Euro verlorene - hätte man auch in die DDR stecken können... um eine vernünftige Wirtschaft aufzubauen. Und dann ein behutsame Angleichung zu vollziehen - von beiden Seiten gleichmäßig.
Dann hätten wir heute noch Polikliniken, ein dichtes Netz von Kindergärten und Kinderkrippen, Vollbeschäftigung, keine oder wenig Arbeitslose usw. usf.
Die DDR ist gekauft worden. SO ist das damals gewesen und nicht anders.
Ich begehe den Tag des Mauerfalls als eine riesengroße, nicht genutzte Chance. Und als Zeichen, dass die Menschen immer noch nix gelernt haben. Im Tierreich frisst der Starke den Schwachen. Die Menschen sind in dieser Hinsicht absolut nicht anders.
Schon in den bisherigen Sendungen, in letzter Zeit aber immer mehr, fällt mir auf, dass es in der DDR nur 2 Seiten gegeben haben kann: die parteitreuen Stasileute und die anderen, die mit Ersteren ständig im Clinch lagen. Sowieso wurden ja alle Leute in der DDR von der Stasi verfolgt, sofern sie nicht dazugehörten. Und alle - ALLE!!! - waren absolut gegen diesen Staat und fühlten sich eingesperrt, ihrer Freiheit beraubt und warteten nur auf eine Möglichkeit, dieser fürchterlichen DDR zu entkommen.
SO WAR ES ABER NICHT!!!
Es war durchaus ein Leben in der DDR möglich... Meinen Eltern z.B. ging es immer gut. Dass sie nicht gleich eine Wohnung bekamen, lag nicht etwa daran, dass sie Hartz IV oder Ähnliches bezogen, sondern es gab schlichtweg keine passende. Welcher Grund zieht denn eigentlich mehr Unzufriedenheit nach sich?
Beide Elternteile hatten Arbeit, sie konnten mich und später meine Schwester selbstverständlich in die Kinderkrippe und dann in den Kindergarten bringen. Heute heißt das Kita... "Tagesstätte". (Warum wand man sich ab vom Wort "Kindergarten"? Erfunden von Fröbel mit vielen tollen Ideen, die heute wie das Fahrrad wieder neu erfunden werden?) Dort bekamen wir selbstverständlich warme Mahlzeiten und die Krippen und Kindergärten hatten von 6 Uhr an geöffnet.
In der Schule habe ich mich darüber gefreut, endlich dazuzugehören und zu Festlichkeiten auch mein blaues Halstuch umbinden zu können. Als ich dann das rote hatte, trug ich es aus praktischen Gründen auch mal in der Hosentasche, aber nicht aus Verachtung, sondern aus Mangel an sonstigen Taschen.
Pionier sein... das hieß für mich, Vorbilder wie Timur und seinen Trupp zu haben. Hilfsbereit und ehrlich zu sein.
Heute wird das immer in die Schublade des Mitläufertums gesteckt, vielleicht gehört es dort hinein - aber was ist schlimm an diesen meinen Vorbildern und Wünschen? Schwachen zu helfen, ohne an einen Verdienst zu denken einfach mal mit zuzugreifen?
Das politische Zeugs in der FDJ hat mich nicht mehr interessiert. Aber nach den Pionieren kam nunmal die FDJ. Und für mich war das die Möglichkeit, eine Funktion, eine Aufgabe in unserer Klasse zu übernehmen, ohne die ich wahrscheinlich als Persönlichkeit versauert wäre.
Die Unzufriedenheit im Land war da (1986) schon spürbar. Jeder meckerte über irgendwas. Aber ist das heute anders? Wer identifiziert sich denn heute 100%-ig mit Deutschland? Wer meckert nicht über viel zu hohe Managergehälter, über Diätenerhöhungen, über die nicht vorhandene Sicherheit der Renten, über Dauerinflation, über den Euro an sich, über die vielen Ausländer, über die Steuerpolitik, über Merkel, über wasweißichnochalles?
Jeder denkt doch durch die ganzen TV-Beiträge, dass die Leute in der DDR ihrer Sicherheit in den Arsch getreten haben, dass sie das billige Brot, die Subventionen für Kinderkleidung, die durchorganisierte Krankenversorgung usw. nicht mehr haben wollten! Dass sie ach-so-vorausschauend gewesen sind und erkannt haben, dass die DDR pleite geht...
Um den 17. Juni 1953 wird ein Wahnsinns-Geschiss gemacht, da waren 10.000 Leute in Berlin auf der Straße. Heute gehen Hunderttausende demonstrieren und keiner redet davon...
Was nicht wirklich im Zusammenhang dargestellt wird, ist die Tatsache, dass das Elend mit Polen anfing. Unsere sozialistischen Freunde hatten andere Vorstellungen vom Sozialismus als die DDR. Plötzlich war die Grenze dahin zu - für viele gingen beliebte Ausflugs- und Urlaubsziele verloren. Freundschaften konnten nicht mehr wie üblich gepflegt werden.
Übrig blieb die CSSR, von da aus fuhren viele nach Ungarn in den Urlaub. Klar hätte man auch nach Bulgarien und Rumänien gekonnt, aber das war mit dem Auto vielen zu weit. Unsere Familie hat immer in der DDR Urlaub gemacht. Ab und zu Tagesausflüge in die CSSR. Ich habe NICHTS vermisst, wirklich! Nichts! Ich fühlte mich nicht eingesperrt, ich wollte nicht woandershin.
Als die Ungarn plötzlich den sogenannten Eisernen Vorhang geöffnet haben und plötzlich ganz viele (aber eben nicht alle!) DDR-Bürger Urlaub in Ungarn machen wollten - rein zufällig - da machten die DDR-Obersten mal eben die Grenze zur CSSR zu. Das ging dann vielen doch zu weit. Und als dann noch ein angeblich neues Reisegesetz rauskam, das in den entscheidenden Paragrafen nach nichts als Gummi klang, da wurde die Wut groß und die Hilflosigkeit des Staates überdeutlich.
Und DA gingen die Leute auf die Straße. DAS brachte das Fass zum Überlaufen. Nichts anderes, das hier immer dargestellt wird, das sind Lügen...
Unsere Familie ging dann auch mit demonstrieren. Auf unserem Schild stand "Reisefreiheit - unser Recht" und bezog sich einzig und allein auf unsere nichtmehrmöglichen Tagesausflüge in die CSSR.
Ich ging auf viele Demos, in viele Foren (so wurden die öffentlichen Gesprächsrunden damals genannt), diskutierte viel mit. Wir hatten die große Hoffnung, etwas bewegen zu können, unsere DDR besser zu machen. Ich wollte nicht die Pionierhalstücher abschaffen. Und dass zu Feierlichkeiten mit einem Appell auf das Ereignis eingegangen wurde, finde ich nach wie vor passend, denn das erzeugte etwas Ehrfurcht. Mit dem 3. Reich oder Militarismus habe ich das nie verbunden, auch heute nicht. Ich finde, dass Respekt und ein gewisses Benehmen Grundpfeiler einer funktionierenden Gesellschaft sind und dass so ein Appell genau das erzeugen kann. Militarismus hin oder her. Im Rahmen eines Appells kann ein Baum gepflanzt werden. Dann war jeder bei der Pflanzung dabei und jeden Monat ist eine andere Klasse dran mit Gießen. Was ist daran militärisch?!
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass die UdSSR damals Summen in Milliardenhöhe bekommen hat, um der Wiedervereinigung zuzustimmen. Und dass die Bundesregierung den Franzosen damals schon versprochen hat, dass Deutschland beim Euro auf jeden Fall mitmachen wird - damit die auch zustimmen. Das ganze schöne Geld - das für die SU und das durch den Euro verlorene - hätte man auch in die DDR stecken können... um eine vernünftige Wirtschaft aufzubauen. Und dann ein behutsame Angleichung zu vollziehen - von beiden Seiten gleichmäßig.
Dann hätten wir heute noch Polikliniken, ein dichtes Netz von Kindergärten und Kinderkrippen, Vollbeschäftigung, keine oder wenig Arbeitslose usw. usf.
Die DDR ist gekauft worden. SO ist das damals gewesen und nicht anders.
Ich begehe den Tag des Mauerfalls als eine riesengroße, nicht genutzte Chance. Und als Zeichen, dass die Menschen immer noch nix gelernt haben. Im Tierreich frisst der Starke den Schwachen. Die Menschen sind in dieser Hinsicht absolut nicht anders.
Rubrik: HistorICHes - Hoffende - 24. Mai 09 - 17:19 Uhr
Es war alles nur ein Missverständnis.
Wir wollten die Wiedervereinigung gar nicht.
Oder interpretiere ich das jetzt falsch...?
Erstens war die Wiedervereinigung nicht das, was der Mauerfall eigentlich bezwecken sollte. (Nichts reininterpretieren - rein wertungsfrei die Information an sich ist vom Fakt her richtig.)
Zweitens wird jetzt immer alles so dargestellt, als wären knapp 17 Millionen DDR-Bürger vom Staat verfolgt und total unzufrieden gewesen. Und die anderen wenigen Übriggebliebenen waren demzufolge in der Partei und davon wieder die meisten in der Stasi.
Das ist schlichtweg falsch - hier werden die ganz normalen Durchschnittsbürger vergessen, die ihr ganz normales Leben gelebt haben.
Mir werden einfach die falschen Dinge zu sehr betont.
Ich persönlich fand die Idee der Wiedervereinigung damals überraschend und schön, aber es ging mir viel zu schnell und einige der Dinge, die ich an der DDR gut fand, hätte ich gerne behalten. Heute muss man sich ja schon freuen, wenn man mal einen grünen Pfeil sieht. Und Politiker muss man loben für die Einführung von etwas, das wir schon lange hatten.